Biografie.

(nach einer Laudatio von Paul Enghofer,  Filmautor)

Toni, du wurdest 1952 in Stinglham bei Baumgarten geboren, bist auf einem Einödhof aufgewachsen, bevor deine Eltern nach Pfarrkirchen zogen. Hier gingst du zur Schule und lerntest anschließend den Beruf des Feinoptikers. Auf der Suche nach Freiheit, im noch ungezügelten Lebensgefühl der 68er-Generation, trieb es dich um. Musik machen und etwas erleben wolltest du.

In den frühem 70er Jahren haben wir uns kennen gelernt. Freiheit, Frieden und Musik machen waren eigentlich doch unsere schönsten Ideale und Ziele damals. Zusammen mit den Nacheiferern von Jimmy Hendrix, Frank Zappa und Alvin Lee, die es auch in der Kleinstadt gab, hast Du Musik gemacht, Du gingst auf Reisen: Nach Italien, Frankreich, Portugal, Marokko, Indien und Thailand; Und zwar nicht als gewöhnlicher Tourist, sondern als Straßenmusiker. Diese mit viel Leidenschaft gelebten Jahre waren von Höhenflügen wie auch von seelischen Tiefen begleitet, und in diesem Spannungsfeld hast du vor über 20 Jahren zur Kunst gefunden, zum Arbeiten mit dem Holz.

Wenn ich mich an das Schöne erinnere, dann denke ich daran, wie man damals oft zu nächtlicher Stunde in den diversen Wohngemeinschaften beisammen war. Du wohntest damals in einer WG über der heutigen Dresdner Bank in Pfarrkirchen. Und wenn aus ganz bestimmtem Grund zu später Stunde der Heißhunger ausbrach, dann hast Du makrobiotische Gerichte zubereitet, damals etwas ganz neues, dann hast Du aus rohen, fein geschnittenen Gemüse kleine exotische Gerichte gezaubert, gebraten und gedünstet. Und dann, wenn die anderen müde waren, dann hast du angefangen, an Deiner Figur zu arbeiten, hast oft die ganze Nacht hindurch geschnitzt und gefeilt und geschliffen. Und wenn eine Figur fertig werden sollte, dann ging das mehrere Tage hintereinander so.

Dabei hast Du immer Ruhe ausgestrahlt und auch durch Deine bloße Anwesenheit oft die Leute, die Dich besucht haben, auch tagsüber, beruhigt, Situationen beruhigt. Die Leute fühlten sich wohl bei Dir, wenn Du da saßt und stundenlang vor dich hin arbeitest und man konnte Dir zuschauen und mit dir reden. Man konnte bei dir unterschlupfen, so wie die Molche und Amphibien in Deinem Terrarium, an das ich mich noch genau erinnere, denen Du liebevoll aus Wurzeln und Steinen kleine Höhlen erbautest. So habe ich dich damals erlebt. 

Und Du selber warst auch auf der Suche nach Ruhe und Wärme und Geborgenheit. Und das Schnitzen hat Dir dabei geholfen. Deine Arbeiten sind Ausdruck Deines eigenen Lebenswillens, die ersten Arbeiten kann man sicherlich als Überlebensfiguren bezeichnen.

Die Besessenheit und die Anteilnahme hatten mich damals beeindruckt und dies ist mir bis heute in Erinnerung geblieben. Und du hast dies in den vielen Jahren bis heute so fortgesetzt.

Aus dem Empfinden heraus, etwas tun zu wollen, das außerhalb des Alltäglichen und vergänglichen Bestand haben sollte, hast Du Deine erste Figur „Magie der Urkräfte“ geschaffen. Mit einfachsten Mitteln, mit einem Nähmaschinenmesser, das man gewöhnlich zum Abschneiden der Nähseide verwendet, hast du dir ein Stück Lindenholz vorgenommen und hast es bearbeitet. Dabei passierte nicht“, wie du sagtest, „was Du wolltest, sondern die Figur wollte geschnitzt werden.“

Damals hast Du viel erzählt und gerne geredet über Dinge, die nicht jedermann interessierten. Und die „Schwellenhüter“ aus dieser anderen Welt verwehrten den Zugang für viele. Und viele wären auch zurückgeschreckt.

Wir haben geredet über Religionen aus dem Fernen Osten, über andere Kulturen, die du auf langen Reisen direkt und hautnah, und von unten erlebt hast, über Geheimwissenschaften, über Freimaurerei und Rosenkreuzertum, über Magie und Kunst, Schamanismus, Zauberei, Trance und Wirklichkeit. Und all dies Geheimnisvolle und Unbekannte steckt in deinen Figuren und Holzskulpturen.

Deine Arbeiten entstammen nicht einer alltäglichen Gedankenwelt und können deshalb auch natürlich nicht, wie Massenware, jedermann zugänglich und verständlich sein. Aber Kunst entsteht aus Überzeugung, aus dem wirklichen Wollen, aus innerem Drang, der etwas nach außen kehren will. Und das ist nicht planbar, sondern es überkommt einen, man muss. Und bei dir, Toni, weiß ich, dass Dein Wollen echt ist.

Ich habe mich anlässlich Deiner Ausstellungseröffnung in den Büchern, die damals umgingen, in den subkulturellen Kreisen Pfarrkirchens, ein wenig geschmökert. Was hat man damals gelesen? Von Friedrich Nietzsche bis Mao Tse Tung, von Platon bis Hermann Hesse. Aber drei Kultbücher waren ganz wichtig: Die Lehren des Don Juan, die Bücher des mexikanischen Ethnologen Carlos Castaneda, der seine Erlebnisse und Gespräche mit dem Yaqui-Indianer Don Juan Matus in drei Büchern festgehalten hat. Im Buch „Reise nach Ixtland heißt es: „Ein Jäger muss als Jäger leben, um das Beste aus seinem Leben herauszuholen.“ Ich will es aus der Indianersprache in die der Künstler übersetzen und umformulieren: Ein Künstler muss als Künstler leben um das Beste aus seinem Leben herauszuholen.

Und du bist ein Künstler. Und Kunst ist nur bedingt planbar, auf dem Reißbrett, zwischen 9 Uhr und 17 Uhr. Dazu gehört nicht nur Können, Handwerkszeug, sondern Emotion und Leidenschaft. Zur Kunst gehört der Künstler, der manchmal entrückt, wie selbst verzaubert, seine Werke schafft und selbst zum Werkzeug unbekannter seelischer Kräfte wird. Viele Deiner Werke erwachsen aus meditativen Praktiken und mystischen Erlebnissen, wie Du mir sagtest. Deine Arbeit dient Dir zur Selbsterkenntnis. Unsichtbares der Seele soll sichtbar werden. Während des Versenktseins in die Arbeit schälen sich die Figuren aus dem Holz heraus, werden zu Menschen und Tieren, nehmen Geister- und Dämonengestalt an. 

Und so lassen Deine Figuren etwas Kultisches spüren und vielleicht deshalb sind sie von so starker Ausdruckskraft. Wie ein Zauberer, der an seine Praktiken glaubt, schaffst Du Deine Figuren. Der Schaffensprozess selbst wirkt wie ein Ritual.

In Deinen Figuren und Reliefs sieht man Unterschiedliches: Unbehauenes, Grobschlächtiges, derb und knorrig, urwüchsig, dann wieder filigran, zerbrechlich, so hauchfein, fragil und dünnwandig, dass das Holz fast durchsichtig scheint.

Wie Figuren aus einem Schattenreich, wie zauberhafte Wesen, die aus der Tiefe der Seele emporgestiegen sind und Gestalt angenommen haben, empfindet man viele Deiner Arbeiten.

Mir selbst fällt es schwer, wirklich einzudringen in diese Welt, aber Deine Figuren rühren bei mir, und ich glaube, bei jedem Betrachter etwas an, das bei uns durchschnittlichen Vernunftmenschen vielleicht verschüttet ist, vielleicht heute nicht mehr so gebraucht wird, oder verdrängt, beiseite gelegt ist, nicht beachtet wird; aber wonach man sich doch manchmal sehnt. Man hat eine Ahnung davon, wenn man dafür offen ist, für Zauber und Magie, die es in der heutigen entzauberten Welt nicht mehr gibt. Du selbst glaubst daran.

Deine Kunst ist nicht die Kunst der heutigen modernen Zeit und sie geht vorbei an intellektuellen, komplexen Weltdeutungen der Gegenwart. Sie zeigt eher eine traumhaft unintellektuelle, geheimnisvoll magische Welt, eigentlich vergangener Zeiten und sucht nach Ursprünglichem.

Experten bezeichnen Dich als „Naiven“, andere wollen Dich nicht so einfach in eine Schublade stecken. Das Eingeordnet werden ist Dir selbst ganz unwichtig, wie Du mir sagtest. Du arbeitest für Dich, auf Dein Inneres hörend, kreativ und ohne bewusst auf Vorbilder zu achten. Du hast Schnitzmesser und andere Arbeitsgeräte so präpariert, dass das verfeinerte Arbeiten mit selbst entwickelten Techniken, an den zarten Durchbrucharbeiten überhaupt möglich ist. Diese Durchbrucharbeiten sind eine Eigenart Deines Schaffens, die man wohl sonst wirklich nirgends findet. Und so sind noch viele Figuren und Gebilde aus Holz herausgewachsen.

Ein Teil des Hauses an der Blumenhöhe in Pfarrkirchen hat sich langsam in ein Atelier verwandelt, in dem die Figuren, an denen du manchmal mehrere Monate lang arbeitest, entstehen. Viele deiner Kunstwerke erwachsen aus meditativen Praktiken, mystischen Erlebnissen und an deinem Interesse an Religionen – allen Religionen. Deine Arbeit dient dir zur Selbsterkenntnis. 

September 1995